SASKIA GRONEBERG
Vesuv, Venus
„Vesuv, Venus“, konzipiert als Künstlerbuch, ist eine fotografische Bildergeschichte im Setting des ersten großen Landschaftsgarten auf dem Europäischen Festland, dem Wörlitzer Park, angelegt 1765–1813 im Sinne der Aufklärung und Empfindsamkeit. Der Garten markiert einen Umbruch zur modernen Zeit, ein Sampling aus philosophischen und politischen Überzeugungen, technischem Fortschritt, Bildung, Antikenverehrung, sexuellen Anspielungen und vielleicht auch ersten Schritten der Ökologie.
Spaziert man durch den weitläufigen Park, erwandert man sanfte Hügel, dunkle Wald- stücke, weite Felder, düstere Grotten, prachtvolle Tempel; bestaunt glitzerndes Wasser, Schwäne, Pfauen und weiße Kühe. Auf der fotografischen Reise verschwimmen Raum und Zeit. Winter folgt auf Frühjahr, Detail auf Sequenz, Traum auf Dekonstruktion. S/W- Fotografien verschleiern bewusst den Faktor der Zeitlichkeit. Die Motive erinnern an Landschaftsmalerei oder klassische Postkartenmotive. Doch Details, wie etwa die
Kleidung der Besucher geben bei genauem Hinsehen Hinweise zur zeitlichen Verortung, in einem Park, der seit Anbeginn der Fotografie millionenfach abgelichtet – und zuvor tausende Male graphisch und malerisch abgebildet wurde.
Ein aus massiven Steinblöcken nachgebildeter Vulkan und die Skulptur einer Venus de Medici symbolisieren die Antipoden des Irdischen und Göttlichen, des Erhabenen und Schönen, der Finsternis und Helligkeit, des Männlichen und Weiblichen. Schwan, Pfau und Feigenblatt tauchen in der Arbeit genauso auf wie die weltlichen Touristen. Diese sitzen in Gondeln auf dem Wasser, eilen mit Faltplänen und Wanderstöcken historischen Architekturen entgegen oder lassen sich über verschlungene Wege von Ausblick zu Ausblick leiten. Die Pflanzen, Gebäude, Kanäle, und selbst die Tiere, entpuppen sich als traumhafte, historische Kulisse, in der sich die Besucher wie Figuren in einem tableau vivant bewegen. Sie sind Beobachter – und zugleich selbst Protagonisten – eines ewig währenden Theaterstücks. Dass die Idylle eine Illusion ist, ein künstlich erschaffener, dynamischer Ort, der kontinuierlich gepflegt, renoviert und beackert werden muss, bezeugen Geländer, Rankhilfen und die Spurrillen von landwirtschaftlichen Fahrzeugen.
Die Arbeit „Vesuv, Venus“ untersucht den Traum eines Paradies auf Erden, der Harmonie von Mensch und Natur, Mann und Frau, dessen Vorstellung sich seit den Zeiten der Aufklärung vermutlich nicht mehr grundlegend geändert hat. Das Buch ist durchzogen von einer Dramaturgie der Sequenzen, Verknüpfungen und Wiederholungen. In der Ausstellung werden durch die Platzierung der Bilder im Raum Bezüge geschaffen und Gegensätze verdeutlicht – und schließlich zu einer Erzählung miteinander verwoben.
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